Konzernchef Karl-Gerhard Eick rechtfertigt die Zahlung von bis zu 15 Millionen Euro. Ein Hamburger Professor sagt: "Das ist ethisch bedenklich."

Damals gab es noch Hoffnung: Arcandor-Chef Karl-Gerhard Eick im Juni 2009 bei einer Rede, die er vor der Zentrale in Essen vor Karstadt- Beschäftigten hielt.

Essen/Hamburg. Morgen wird das Essener Amtsgericht voraussichtlich die Insolvenzverfahren für Arcandor eröffnen. Die Zukunft von mehreren Zehntausend Beschäftigten bei der Karstadt-Mutter steht damit auf dem Prüfstand. Die finanzielle Versorgung des Vorstandschefs dagegen ist weiter gesichert. Karl-Gerhard Eick, der das Handels- und Touristikunternehmen vor der Pleite nur ein halbes Jahr geleitet hatte, wird dann zwar seine Aufgaben verlieren. Er hat sich aber vertraglich zusichern lassen, dass er zehn bis 15 Millionen Euro bekommt, unabhängig davon, ob er seinen Fünf-Jahres-Vertrag erfüllt oder nicht.

"Herr Eick sollte sich das Geld nicht auszahlen lassen, alles andere wäre ethisch bedenklich", forderte der Hamburger BWL-Professor Karl-Werner Hansmann im Gespräch mit dem Abendblatt. Auch wenn die Zahlung rechtlich nicht zu beanstanden sei, behielte sie ein "Geschmäckle" wie die Dienstwagen-Affäre bei Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt, sagte Hansmann. Auch die Betriebsräte von Arcandor kritisierten die Millionenabfindung scharf. "Ich habe dafür kein Verständnis und kann den Frust vieler Angestellter darüber verstehen", sagte Konzernbetriebsrat Hellmut Patzelt. "Die Kollegen haben harte finanzielle Einschnitte hinter und vielleicht noch vor sich. Wir befürchten im Kaufhausbereich Lohnkürzungen bis zu zwölf Prozent, die tun jeder Verkäuferin weh."

Auch die Vorstände Arnold Matschull und Zvezdana Seeger hätten Zusagen für eine zumindest teilweise Absicherung, so ein Sprecher vom Arcandor-Großaktionär Sal. Oppenheim, der das Geld zahlen würde. Noch ist aber unsicher, ob beide im Unternehmen bleiben. Die Kritik an seiner Abfindung wies Eick am Wochenende zurück: "Das finde ich nicht gerecht", sagte er dem "Spiegel". Die Summe zahle schließlich nicht Arcandor, sondern Sal. Oppenheim. "Ich komme aus einfachen Verhältnissen und weiß, dass 15 Millionen Euro sehr viel Geld ist - auch für mich." Eine Diskussion darüber werde es geben und er wolle sie auch nicht verhindern.

Zum genauen Zeitpunkt seines Arbeitsendes bei Arcandor sagte Eick der "BamS": "Wenn am Dienstag der Insolvenzverwalter vom Gericht bestellt wird, werde ich ihn fragen, ob er mich noch braucht." Um seinen Schreibtisch zu räumen, brauche er zehn Minuten. Eine Verantwortung für die Insolvenz bestritt Eick indes: "Das weise ich mit allem Respekt zurück. Ich war keine sechs Monate operativ tätig und in so einer kurzen Zeit kann man keinen Konzern in eine lebensbedrohliche Schieflage bringen. Viele der Ursachen liegen in der Vergangenheit."

Zwar hat Eick die Misere des Konzerns nicht verschuldet, doch er setzte zur Rettung weder Staatshilfe noch einen Notkredit durch. Auch die Eigentümer wollten oder konnten nicht weiter Geld nachschießen und die Suche nach einem Investor lief ins Leere. Die Fäden laufen nach der offiziellen Eröffnung des Verfahrens künftig in der Hand des Insolvenzverwalters Klaus Hubert Görg zusammen. Den bisherigen Plänen nach sollen die Warenhaus- und Versandhandelstöchter saniert werden. Allein bei der Versandhausgesellschaft Primondo würden dabei rund 3700 der 10 500 Stellen gestrichen. Im Kaufhausgeschäft kommt der Fortbestand von 19 der insgesamt 126 Waren- und Sporthäuser auf den Prüfstand. Anfang November sollen die Pläne dann den Gläubigerversammlungen vorgelegt werden. Die verpfändeten Anteile an der Tourismustochter Thomas Cook, die selbst keinen Insolvenzantrag gestellt hat, werden voraussichtlich von den Banken verkauft.

Wie aussichtslos die finanzielle Situation Arcandors ist, hat auch Insolvenzprofi Görg verblüfft. In den vergangenen zwei Monaten hatte er jeden Stein umgedreht, in der Hoffnung, vielleicht doch noch ungehobene Schätze zu finden, mit denen er Arcandor finanziellen Spielraum verschaffen könnte. Dabei musste er feststellen, dass unter Eicks Vorgänger Thomas Middelhoff bereits alles verkauft und verpfändet wurde, was nicht niet- und nagelfest war. Möglicherweise ist aber noch etwas Geld bei Middelhoff zu holen. Schließlich ermittelt die Staatsanwaltschaft Bochum gegen den Manager, der das Unternehmen ebenfalls mit einer Millionenabfindung verließ, wegen Untreue. Dabei werden vor allem seine privaten Verflechtungen mit dem Immobiliengeschäft von Arcandor unter die Lupe genommen. HA/mw