WAS MAN IM WOEZER SEE VERSENKEN KÖNNTE
Als ich das las, war ich schon heiß.
Ein Sonntag, dazu mein Smartphone. Iris war aktiv, hatte was geteilt ... und mich und Joschko unterrichtet, denn wir zwei sind ihre einzigen FACEBOOK-Freunde.
Ich las: „Egal, ob Sie Ihre Opfer ertränken, in einem Plastiksack voller Steine im See versenken oder im morastigen Boden am Ufer vergraben ... Egal, ob es überhaupt Tote gibt oder 'nur' der Döbbersener Kirchenschatz gestohlen wird [...] Was auch immer Ihre Fantasie Ihnen eingibt, nehmen Sie es und machen Sie einen Kurzkrimi daraus! Wichtig ist nur, dass er in der Region Woezer See spielt ...“
Das elektrisierte mich. Da ist der verurteilte Killer aus den USA, der im Kino Leute abgeschossen hatte, Aurora, einfach so. Batman-Premiere. So ein wirrer und blöder Typ. Dazu immerzu die gefärbten Haare. Die Giftspritze bekommt der wohl.
Jetzt schreiben die Woezer vom Plastiksack voller Steine: Das reißt doch so leicht! In anderen Krimis nehmen die auch noch Teppiche und dann gerne Seile. Plastik kommt erst zum Schluss noch drüber.
Aber man muss auch eine Tote haben, eine Frau. Am liebsten eine Frau. So ein Penner, der vielleicht betrunken ins Wasser gefallen ist: Das bringt doch nichts!
Sie sagen jetzt: „Mann, lies doch genau. Es ging um 'nen Krimi, nicht um die Leiche!“
Ja, ja, ich habe ja auch nie gesagt, dass uns die Woezer zum Morden auffordern, oder diese komischen Leute, die so eine Ausschreibung machen. Dennoch ist doch klar, dass alle Chancen, demnach auch meine, besser sind, wenn mal wirklich etwas passiert, in diesem Ort oder seinem See.
Am liebsten hätte ich denen die ganze Landschaft in den See geworfen. Aber das macht man nicht, ja, das geht auch nicht. Quatsch.
Alles, was untergeht, kann in den See. Ein Moped wäre auch ganz gut. Oder irgendwelche Teile, die schwer sind. Denn es wäre doch schön, wenn die das vorlesen, was ich als Text einzureichen gedenke, und danach fährt einer zum See, und guckt, ob was drin ist.
Jetzt müsste man wissen, ob die dann auch eine Bagger nähmen, eine Raupe vielleicht. – Aber dazu ist der See zu tief.
Vielleicht haben die Taucher.
Man stelle sich vor, dass die vom Wettbewerb Froschmänner ins Wasser schicken, nur weil ein Blödian so etwas eingereicht hat. Für deren Wettbewerb.
Unklug wäre das aber nicht, denn dann hätten die doch die Werbung, die die brauchen. Erst die Ausschreibung und dann die Taucher, dazu die Medien.
Ich liebe die sozialen Medien. Ich habe immerhin 64 FACEBOOK-Freunde. (Und ich könnte viel mehr haben!)
Überlegt man sich das alles mal durch, dann kann Woez oder deren See von mir nur profitieren: Ich kündige jetzt etwas an, eine Versenkung, dazu allen Touch vom Krimi, und hernach können die das Wasser durchhecheln, könnten wie Rochen sein, sich irgendwie durch den Untergrund-Dunst bewegen und dann das suchen, was ich denen versprochen hatte.
Jetzt stellt sich mir die Frage, ob ich erst hinfahre und versenke .... oder ob ich erst schreibe und danach hinfahre.
Ich könnte natürlich auch schreiben und abwarten, ob überhaupt was passiert.
Sobald etwas passiert, würde ich zum See fahren und da was reintun. Etwas, das man auch findet.
Ich hatte schon an Iris gedacht, doch dann meinen die von der Kommission oder dem Ausschuss, der alle Geschichten bewertet, ich wäre fast so abgedreht wie der Batman-Mörder.
Bin ich aber nicht, ich bringe auch niemandem um. So!
Ich schreibe nur darüber, ganz wie gewünscht. Denn es soll ja ein Krimi sein, dieses Jahr. Woez braucht den Krimi! Warum eigentlich? Warum brauchen alle einen Krimi? Ist das Leben so langweilig?
Und außerdem: Wenn man einen Krimi fordert, dann muss man auch selber zu einem bereit sei, einem realen. Das Mindeste wäre ein real gespielter Vorfall.
So wie es Oberammergau gibt, kann es doch auch Woez geben, genau so, eben nur anders. Aber warum nicht auch noch den Jesus dazu? Dann fällt das Kreuz um, bei der Zeremonie, die schöne Woezer-See-Passion, nur dass dann der Darsteller vom Jesus im Wasser liegt, noch ans Kreuz gebunden, und sofort ertrinkt.
Ja, das wäre ganz nett. Dann denkt man wieder an Iris: Ich meine, wenn die nur zwei (2!) Freunde auf FACEBOOK hat, und ich habe sie noch nie gesehen, dann ...
Man müsste sie ja nicht umbringen, vielleicht spielt die auch mit.
Iris könnte in den Plastiksack gehen, wir schneiden ein paar Löcher rein, dann stecken wir Halme hinzu, so ist es auch bei TOM-&-JERRY-Filmen – dann kann die ja schön atmen.
Ich müsste Iris erst mal überhaupt kennen. Nachher ist das ein Mann, der sich in Netzwerke begab, als Frau. – Ich will eine Frau versenken, in Woez, aber dann wäre es ein Mann. Nee, das wäre ziemlich blöde. Diese Internet-Fakes!
Ich schrieb Iris also an, wegen der Echtheit, und ich fragte, ob sie schon mal gedacht habe, nach Woez zu fahren.
Sie schrieb: "Pfurz, oder wie?2 Und dann druckte sie noch ein fettes Smiley, als wäre sie so lustig, als wäre unser ganzes Leben so furchtbar lustig.
Ich hatte mir das mit Woez nicht ausgesucht. Wenn die einen Krimi haben wollen, dann war ich doch verpflichtet, was zu überlegen ... 250 Euro, das wäre ja auch noch was.
Aber wenn ich die Benzinkosten wieder abziehe ... nee ... Aber egal, erst mal machen, was schreiben ... und realiter versenken. Dann kämen auch noch die Vermarktungsstrategien.
Die aus Woez bekommt man bestimmt schnell und leicht in seine zarten Hände. Hach, die lassen sich formen und kneten, weil die doch selber groß hervortreten möchten! Wahrscheinlich haben die schon lange eine Feuerwehrstaffel in Alarmbereitschaft, weil die immer damit rechnen, dass irgendeiner bald was im See versenkt.
Und ich wär's dann, wenn Iris mitspielt.
Würde Iris sich verweigern, hätte sich die Situation schon wieder gedreht, aber dazu sind ja die großen Krimis alle da, die großen und tollen Krimis.
„Iris, wo du
denn wohnst? Das wollte ich mal anfragen :)“
Ich nahm die
Chatfunktion, hätte ich schon längst mal tun sollen.
Iris schien super erfreut, dass sie einer mal anchattet: „Wohin du willst ;))“ Sie schien geahnt zu haben, dass ich mit ihr wegfahren wollte.
„Du kennst Woez?“, schrieb ich.
Sie: „Ja, rein zufällig.“
Da hätte ich natürlich stutzig werden müssen, denn Woez zu kennen, einfach so, und das jetzt ... das war ja doch ungewöhnlich. Aber in jenen Tagen war mein Hirn etwas flach. Ich hatte tagelang nur dagelegen ... und da drückt sich das Gehirn zu einem Fladenbrot.
Dumpf schrieb ich: „Iris, dann fahren wir morgen zum See, auch wenn du mich nicht kennst, also so richtig kennst. Du wirst es nicht bereuen.“
Sie flötete zurück, wie schön alles wäre. Wie schön ihr Leben wäre. Und da sie auch in Auenweich wohnte, sollte ich sie an der Petrus-Kirche aufnehmen.
Ich hatte Ihnen das mit Auenweich bislang nicht gesagt, weil ich Ihnen ja den Woezer See näherbringen wollte. Das wäre auch für die Preis-Kommission komisch gewesen, wenn ich Auenweich so früh in meinem Krimi schon genannt hätte. „Hier hausen Kraniche und Biber, hier wächst der Raps und grasen Kühe, hier leben die Menschen in der Natur, mit der Natur – und von der Natur. “ Das sagen doch die stolzen Woezer.
Und Auenweich? Eine Stadt! Klein, hat aber doch noch 5.200 Einwohner. Deshalb ist sie ja Stadt, und nur in einer „Stadt“ konnte es vorkommen, dass ich und Iris uns nicht kannten.
[Ich wollte mit Ihnen die Begriffe klären, denn es geht ja auch um Blut, bei der Ausschreibung. Manche denken da an Mord, aber ich denke an Blaues Blut, und wie man da zusammenhält. Wir in Auchenweich halten zusammen, auch wenn wir uns überhaupt nicht kennen.]
Deshalb würde ich Iris auch morgen auflesen, mit meinem Renault (darf man Autofirmen nennen? Mein Onkel arbeitet da als Verkäufer, aber ich sag auch mal schnell VW, damit das Komitee zu Woez mir da nicht böse ist.)
So, wo war ich stehengeblieben?
Das war am nächsten Tag schon, von Auenweich bis Woez ist es auch nicht so weit, 117 Kilometer, die kann man schon mal fahren. Deshalb hatte Iris bestimmt "Ja" gesagt.
Mich
interessierte,
ob die auch an dem Wettbewerb teilnahm, denn sie hatte das ja
gepostet, was ich schon sonst nicht gewusst hätte. Und dann
überlegte ich, ob die vielleicht in einer Apotheke arbeitet, als
Fachgehilfin, und was die dann so schreibt.
Die könnte doch den ganzen See vergiften! Das schrieb ich ihr auch nachts über die FACEBOOK-Chatfunktion, und sie schrieb auch etwas zurück, aber ich las es nicht, weil ich viel zu sehr mit dem See befasst war. Ich sah die Taucher schon auf- und niedersteigen, wenn erst mal meine Geschichte da wäre.
Ich holte also Iris am nächsten Morgen an der Kirche ab, das ist auch diese Bushaltestelle ohne Fenster, 3 x Beton und vorne zum Rausgucken. Immerhin ist man bei Regen geschützt.
Es regnete auch, als ich mit Iris nach Woez zum See fahren wollte.
20. Juli.
Sie trat deshalb aus der Bushaltstelle raus, als sie mein kleines Auto sah. Sie hatte eine blaue Plastiktüte über dem Kopf, wahrscheinlich gegen den Regen.
Sie zeigte noch auf einen Gepäckroller, den sie hinter sich herzog. Das schien schwer und machte malmende Geräusche. – Nicht, dass die Steine mitnimmt, zum See?!
Es war ihre Geschichte schlicht so, dass sie Basalt zum See brachte und mit Marco Laich dann versenkte. [Doppeldeutig!]
Ach so: Ich bin
Marco Laich, und ich wollte Iris nie umbringen, wirklich nicht! Ich
hatte ja lange Schläuche dabei, aus dem Aquariumsgeschäft,
damit Iris, einmal untergetaucht, dennoch würde atmen
können.
Das wollte ich ihr auf der Fahrt verklickern.
Jetzt aber öffnete sie erst mal die Autotür. Eine nasse und plastikbehängte Gestalt.
Sie beugte sich zu mir in den Auto-Innenraum und begann sofort, mich grauslich zu würgen. Ich konnte ab da nicht mehr sprechen. Dann das Messer! Blut!
Sie erzählte mir alles, was ich nun zu tippen hätte.
In mein Smartphone?
„Ja, sofort, ja, im Auto!“
Also schreibe ich alles auf, was mir Iris diktiert, aber eigentlich bin ich schon ein toter Mann.
Noch etwas: Wir sind noch nicht mal losgefahren!
[Wie soll das alles überhaupt dem Woezer See nützen?]
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9.9.2019: TAGESROMAN [9.9.19], erschienen im September 2019 =
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8.8.2018: HITZEROMAN [8.8.18], erschienen im August 2018 = elfter
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7.7.2017: FREITAGSROMAN [7.7.17], erschienen im Juli 2017 = zehnter
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11.11.2011: NUNROMAN [11.11.11], erschienen im November 2011 = vierter
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